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© 1997-2003 by M.Perlitschke
Email: Michael Perlitschke

Page-Update: 24 Nov. 2003

Das Auge hört mit...


Bei der Auswahl und Aufstellung der Boxen spielen nicht nur akustische Kriterien eine Rolle. Zu beachten ist ebenfalls, daß das Auge des Menschen dem Gehör manchmal einen Streich spielt.

Von Anfang an hat - im Gegensatz zum Profilager - das Thema Surround im Wohnzimmer aberwitzige Blüten hervorgebracht. Viele vermeintliche Experten erklaeren da noch unwissenden Laien, was man beim Aufstellen von Lautsprechern alles falsch machen kann. Die meisten uebersehen dabei die einfachsten Grundregeln der Wahrnehmung und Akustik. Im folgenden will ich versuchen, anhand einfach nachvollziehbarer Versuche die Knoten zu entwirren.

Vor allem wollen wir uns den drei Hauptlautsprechern einer jeden Surround-Anlage widmen. Je nachdem, wen man fragt, kommen die merkwürdigsten Vorschläge zutage und werden aus mehr oder weniger populaerwissenschaftlichen Hintergründen heraus - oder auch gar nicht - argumentiert. Dabei sind die Erfahrungen mit der Aufstellung von Lautsprechern bereits aus Gruenderzeiten bekannt und akustisch fundiert. In jedem Tonstudio kann man sehen, wie es richtig geht.

Die Variante mit im Bogen angeordneten Lautsprechern stellen ein interessantes Experiment dar, sind aber nur in den wenigsten Fällen praxisgerecht. Überhaupt beginnt die Problematik mit der Wahl des Center-Lautsprechers. Was nur beiläufig erwähnt wurde:

Ideal und einzig richtig sind drei identische Frontlautsprecher. Dabei spielen nicht nur akustische, sondern auch optische Gründe eine Rolle. Alles andere ist bereits ein Kompromiß - nicht nur aus klanglichen Gründen. Hierzu ein Versuch:

1. Schritt. Man nehme eine stimmige -daher achsensymmetrische Stereoanlage -und versuche eine Monoquelle, zum Beispiel einen Nachrichtensprecher, darüber abzuhören. Er wird sich in der Mitte der Stereobasis, mittigen Sitzplatz vorausgesetzt, als sogenannte Phantom-Schallquelle manifestieren.

2. Schritt. Nun gebe denselben Nachrichtensprecher wieder, verwende aber bei nur einem der beiden Lautsprecher die Abdeckung. Plötzlich hoerst Du zwei Nachrichtensprecher, einen aus der linken Box und einen aus der rechten. Selbst wenn man die Augen schließt, haelt der Effekt noch eine Weile an. Das liegt nicht, wie man zunaechst vermuten möchte, an der Qualität des Bespannstoffes. Das Ergebnis ist dasselbe, wenn man zwei verschiedenfarbige Bespannstoffe verwendet. Probiere mal, damit normal stereophon Musik zu hören: Du wirst Dir die Ohren verrenken.

3. Schritt. Bei einer Surround-Anlage mit drei identischen Frontlautsprechern verhaelt sich der Center-Lautsprecher unauffällig, wenn er sowohl richtig aufgestellt und eingemessen ist. Nimmt man nun nur dem Center die Verkleidung ab, oder ersetzt ihn durch ein Exemplar anderer Farbe, "schwupp"--->schon hört man ihn deutlich heraus. Dummerweise ist dieser Effekt permanent, wenn man einen Center verwendet, der von vornherein anders aussieht als der linke und der rechte Lautsprecher.

Das Auge versucht ständig, dem Ohr unter die Arme zu greifen. Probiert man zum Beispiel auf einer Party, jemand bestimmtes zu verstehen, so muß man ihn anschauen, sonst geht die Stimme im allgemeinen Geplapper unter. Das ist auch der Grund, weshalb bei deutsch synchronisierten Filmen der Dialoganteil unproportional laut zur akustischen Umgebung abgemischt wird. Das Auge liest von den Lippen noch den Originaldialog ab. Die widerspruechliche Information versucht man mit vermehrter Lautstärke der Stimme zu kompensieren.

Grundregel: Das Auge hört mit. Etwa drei Viertel unserer Wahrnehmung basieren auf Gesehenem. Dabei korrigiert unser Sehsinn das Gehör bis zu einem Fehlwinkel von etwa 30 Grad. Es muessen Bild und dazugehöriger Ton nicht absolut deckungsgleich sein. Deshalb mischt man beim Film alles, was sich ungefähr in der Bildmitte befindet, großzügig in den Center - ein genauerer Mix würde aber natürlich nicht schaden. Bei Aufnahmen für CDs dagegen muß man sorgfältiger vorgehen. Das einzige, was man da normalerveise sieht, sind die Lautsprecher - falls man beim Musikhören nicht sowieso etwas völlig anderes macht. Schon deshalb wirken Musikvideos und Konzertfilme viel lebendiger als Musik pur. Das Auge hört eben mit. Das geht soweit, daß die Bildqualität -scheinbar - auch die Tonqualität beeinflusst. Zum Vergleichen von Surround-Anlagen ist es deshalb ratsam, das Bild abzuschalten, so wie es auch geübte Profi´s tun.

Doch zur Aufstellung der drei Frontlautsprecher (links, Center, rechts, auch L, C, R genannt). Es gibt, so zeigt es die Praxis, nur zwei sinnvolle Varianten. Das eine nennen Fachleute Fernfeld-, das andere Nahfeld-,,Abhöre".Wie es die Namen schon vermuten lassen, hängt die jeweils geeignetere Variante von der Lautsprecher-Zuhörer-Distanz ab. Als Orientierung hierfür dient das Modell des gleichschenkeligen Stereodreiecks. Dabei definiert der Abstand der beiden äusseren Frontlautsprecher die Schenkellänge des Dreiecks.

1.Fall, der Normalfall. Wenn Du ausserhalb des Stereodreiecks sitzt- also weiter von den Lautsprechern entfernt, als diese voneinander - empfehlt sich in jedem Falle eine schnurgerade Aufstellung. also alle drei Frontlautsprecher - sofern möglich - auf gleicher Höhe (Hochtöner auf Ohrhöhe) und exakt parallel nebeneinander. Dabei ist parallel wörtlich zu verstehen, um auch in den Höhen (Wellenlaengen im einstelligen Zentimeter-Bereich) eine parallele und damit homogene Wellenfront in das Zimmer zu emittieren, sollte man die Lautsprecher am besten entlang einer gespannten Schnur ausrichten! Schon ein Anwinkeln von L und R kann Präzision und räumliche Abbildung kosten. Man sollte dies nur machen, wenn man Lautsprecher verwendet, die den Schall stark horizontal bündeln. Bei dieser Aufstellung ist ein maximales Areal vollkommen homogen ausgeleuchtet (das heisst übrigens in der Akustik wirklich so). Wenn man mit Lautsprechern arbeitet, die von sich aus eine homogene, phasenrichtige und über die Frequenz beständig breite Abstrahlung bieten, bleibt die räumliche Abbildung bis auf eine Annäherung auf etwa halber Stereo-Basisbreite vollkommen lückenlos und stabil. Keine der Boxen tut sich hervor, auch nicht - wie so oft prophezeit - der Center. Man kann sich sogar von ganz außerhalb der Stereobasis, zum Beispiel der linken Box nähern: Die ,,Bühne" bleibt homogen und stabil. Wer also eine ganze Sitzgruppe beschallen möchte, für den ist die parallele Aufstellung die geeignetste Lösung.

2. Fall, im Wohnraum exotisch: Wenn Du deutlich innerhalb des Stereodreiecks sitzt, also beispielsweise bei einer Stereobasis von drei Metern in einem Abstand von nur zwei Metern zum nächsten Lautsprecher, so ist eine radiale Nahfeld-Positionierung für Dich genau das Richtige. Es ist allerdings eine Aufstellung für einsame Herzen, da nur auf einem einzigen definierten Platz, im Ursprung des Radius, eine brauchbare Abbildung erzeugt wird, denn nur dort laufen die Wellenfronten von L, C und R zeitgleich ein. Zum Ausrichten der Lautsprecher hilft auch hier eine Schnur, die man als Zirkel verwendet. Im - allerdings winzigen -Sweetspot ergibt sich dann eine so perfekte Abbildung, wie Sie mit einer parallelen Aufstellung nicht erreichbar ist, man darf halt nur den Kopf nicht bewegen. Diese Tortur nehmen sonst nur Toningenieure auf sich, wenn es um das Finetuning beim Abmischen des Stereopanoramas geht.

Für alle, die außerhalb des Sweetspots sitzen, ergibt sich ein tolles lnterferenzmuster, aus dem das Gehör verzweifelt versucht, eine brauchbare Abbildung zu interpretieren. So nimmt beispielsweise jeder, der nicht im Sweetspot sitzt, alles, was in die Mitte gehört, doppelt wahr: einmal als Phantomschallquelle zwischen L und R und dahinter noch einmal diskret aus dem Center. Bewegt sich im Film etwas quer durchs Bild, so ist es links und rechts deutlich und in der Mitte diffus zu hören. Diese zusätzliche Pseudo-Räumlichkeit ist wohl kaum im Sinne des Erfinders. Dazu kommt, dass für alle, die nicht genau mittig sitzen, die Symmetrie flöten geht. Je weiter man aussen sitzt, desto mehr entfernt sich der Center unproportional von beiden anderen Frontboxen. Hierbei verzerrt sich die imaginaere Bühne, die räumliche Abbildung geht endgültig in die Binsen. Wie man es auch dreht, die radiale Aufstellung und Verwandte davon führen in aller Regel zu mehr Nach- als Vorteilen. Nachdrücklich sei nochmals darauf hingewiesen: Selbstverständlich gelten bei der Aufstellung von Surround-Anlagen alle Regeln, die auch sonst bei der Aufstellung von Lautsprechern zu beachten sind, wie etwa Abstand zur Wand und so weiter.

Doch zum Kern der Aussage, dass das Auge mithört. Ein Problem, das fast alle haben: Wie weit entfernt stelle ich L und R vom Fernseher weg? Konsequenterweise muß man sagen: Es ist egal, wie weit, es ist immer falsch, alle drei Frontlautsprecher gehören mit ins Bild! Bei einem typisch dialoglastigen WoodyAllen-Film, so behaupte ich mal ganz dreist, ist die Aufstellung egal. Alles Bildbezogene kommt aus dem Center, und die Filmmusik, die ja keinen optischen Konterpart hat, verteilt sich im Stereopanorama. Dies wandelt sich, wenn sich im ganzen Stereopanorama Dinge abspielen, die sich im Bild manifestieren (Fachausdruck: Panoramic Cues). Das gilt sowohl für statische wie bewegte Ereignisse. Nun haben wir am Anfang dieser Page gesagt, dass der Gesichts- den Gehörsinn um bis zu 30 Grad in der Horizontalen korrigiert. Kein Problem, Geodreieck aus der Schublade kramen und los geht's. Dabei kommt heraus, daß man, wenn man außerhalb des Stereodreiecks sitzt, sich eigentlich immer im ,,grünen Bereich" befindet.

Denkste! So simpel funktioniert die Wahrnehmung dann doch wieder nicht. Das hängt mit unserem aktiven Gesichtsfeld zusammen. Darunter versteht man den Bereich, in dem unsere Augen scharf sehen. Unterbewußt ist namlich das Wohnzimmer die Haupt- und der im Verhältnis dazu kleine Fernsehschirm (geringer Teil des aktiven Gesichtsfeldes) die ..Nebenhandlung". Beispiel: Wenn Keanu Reeves im Film ,,Speed" am rechten Bildrand den Akkuschrauber ansetzt, kommt der Sound pur aus der rechten Box und nicht scheinbar aus dem Akkuschrauber. Das ändert sich, wenn das Bild die Wahrnehmung vereinnahmt, also Rolladen runter, das Zimmer verdunkeln. Jetzt da nur noch das Filmbild zu sehen ist, stimmt die Illusion plötzlich. Das Geräusch scheint jetzt aus dem Akkuschrauber zu kommen. Das Hirn glaubt den Augen eher als den Ohren und ,,schiebt" daher das Geräusch in Richtung des Akkuschraubers. In der Praxis - solange man einen Fernseher verwendet - ist es also Geschmackssache, wie weit man die Lautsprecher vom Bild entfernt. Denn je weiter entfernt, desto eher stimmen zwar die akustischen Dimensionen, wie etwa die räumliche Abbildung, gerade auch zum Musikhören, auf der anderen Seite passt der Ton aber besser zum Film je dichter die Boxen am Bild stehen, dann allerdings erhaelt man optisch wie akustisch eine Puppenstube statt Kino-Realismus.

Die einzig wahre und endgültige Lösung ist ein Bild vom Videoprojektor auf grosser Leinwand. Dann füllt das Filmbild den grössten Teil des aktiven Gesichtsfeldes aus und das Unterbewusstsein klinkt sich in die Filmhandlung ein. Schon dadurch wird die Aufstellung der Lautsprecher unkritischer, da das Auge die Ohren besser korrigiert. Am besten stellt man die Boxen direkt unter die Leinwand, auch L und R. Stehen linker und rechter Lautsprecher neben der Leinwand und der Center darunter, gibt es immer noch ständig eine Differenz zwischen Bild und Ton, die fällt zwar nicht besonders stark auf, die Korrektur kostet den Zuschauer dennoch eine gewisse Konzentration. Erst wenn alle drei Frontlautsprecher hinter dem Bild stehen -L und R am inneren Bildrand - stimmen Bild und Ton lateral überein, da so auch alle Fllmmischungen gemacht werden. Den letzten Kick bietet eine akustisch transparente Leinwand, hinter der die Lautsprecher verschwinden - wie im Kino. Damit verlieren wir sie aus dem Blick, wodurch sie das Auge auch nicht mehr ablenken. Die ultimative Illusion ! 

Auge und Ohr arbeiten jetzt vollkommen reibungslos zusammen. Tritt nun doch mal ein Fehlwinkel auf, ist beispielsweise eine Stimme exakt im Center, das dazugehoerige Gesicht aber nicht genau dort, läßt das Auge erst gar keinen Zweifel aufkommen, daß es diese Person ist, die da spricht, da keine andere logische Ursache (etwa Lautsprecher) für den Dialog zu sehen ist. Außerdem stimmen bei diesem Aufbau nicht nur Bild und Ton überein, auch haben die beiden die richtige absolute Dimension, was die Glaubwürdigkeit zusätzlich steigert. Erst wenn kinogleich die Frontlautsprecher hinter dem Filmbild etwa in der halben Bildhöhe angeordnet sind, ,,rastet" der Ton förmlich ein. Mit einem Mal kann man der Handlung, besonders, wenn sie viele Panoramic Cues enthält, wesentlich entspannter folgen - genau wie im ..richtigen" Kino. Bei diesem idealen Aufbau fallen dem geübten Betrachter sogar Vollbild-Videos auf, deren Ton eigentlich fur das breitere Kinoformat gemischt ist.

Aus diesen Informationen muss nun jeder selbst für sich entscheiden, welcher Weg eingeschlagen wird. Wichtig is lediglich, dass man sich an obige Spielregeln haelt, damit man den für sich optimalen "Sound" findet. 

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